Auch fünf Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Suizidprävention muss Vorrang vor Suizidbeihilfe haben
Vor fünf Jahren, am 26.02.2020, hat das Bundesverfassungsgericht den § 217 Strafgesetzbuch (Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung) für nichtig erklärt. Die Regulierung der Beihilfe zum Suizid mittels prozeduraler Sicherungsmechanismen durch ein entsprechendes Gesetz ist seither nicht erfolgt. Für den Deutschen Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) kommt einem umfassenden Gesetz zur Suizidprävention nach wie vor die größere Bedeutung zu.
„Schon direkt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Februar 2020 haben wir darauf hingewiesen, dass zu allererst die Suizidprävention gesetzlich zu regeln ist“, so Prof. Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV. „Leider ist das bis heute nicht gelungen.“
Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nationalen Suizidprävention ist bei einigen guten Ansätzen aber um wichtige Details zu ergänzen.
„Vorgesehen und notwendig ist eine barrierefreie, zentrale, unentgeltliche und bundesweit einheitliche Rufnummer für Menschen in Krisensituationen, Angehörige und nahestehende Personen sowie Hinterbliebene und professionelle Bezugspersonen von Betroffenen“, so Hardinghaus. Hinzu kommt die Möglichkeit der unmittelbaren technischen Weiterleitung an regional verfügbare Angebote.
„Wie diese bereits bestehenden Angebote nachhaltig ausgebaut und finanziert werden sollen, darüber sagt das Gesetz leider nichts“, so Prof. Ute Lewitzka, Inhaberin der ersten deutschen Professur für Suizidologie und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des DHPV. Was im vorliegenden Entwurf zumindest Erwähnung findet, ist die Notwendigkeit einer umfassenden Forschung im Bereich der Suizidprävention, der Suizidalität und zum assistierten Suizid.
„Hier tappen wir im Moment noch im Dunkeln“, so Lewitzka. „Das beginnt schon damit, dass es keine separate Erfassung der Anzahl an harten Suiziden und den Zahlen zur Suizidbeihilfe gibt.“ Im Moment könne man sich etwa bei der Frage, inwieweit Suizidassistenz sich auf die Anzahl der Suizide gesamt auswirke, nur an Untersuchungen aus Ländern wie der Schweiz oder den USA orientieren. Dort zeigt sich, dass die Anzahl der harten Suizide trotz der gesetzlichen Regulierung der Suizidassistenz stagniert bzw. sogar steigt.
Ein Aspekt, den der vorliegende Gesetzentwurf gar nicht berücksichtigt, ist die suizidpräventive Wirkung von Hospizarbeit und Palliativversorgung. „Die hier vorhandenen Möglichkeiten einer guten Schmerz- und Leidenslinderung bei schweren Erkrankungen sind immer noch zu wenig bekannt. Dadurch kann sich besonders bei jüngeren, noch gesunden Menschen die Vorstellung eines späteren Suizides als einzig richtigem Ausweg festsetzen“, so Hardinghaus.
Eine besondere Bedeutung kommt im Rahmen der Suizidprävention außerdem der Hilfe und Unterstützung für trauernde Menschen zu, die von Hospizdiensten und -einrichtungen geleistet wird. Hardinghaus hierzu: „Der DHPV wird sich auch der neuen Regierung gegenüber dafür einsetzen, dass die finanzielle Förderung einer niedrigschwelligen Trauerbegleitung durch die Hospizdienste so ausgestaltet wird, dass der krankheits- und auch suizidpräventive Charakter der Trauerbegleitung anerkannt und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.“
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Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. ist seit 1992 die bundesweite Interessenvertretung der Hospizbewegung sowie zahlreicher Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Deutschland. Als Dachverband der Landesverbände in den 16 Bundesländern sowie weiterer überregionaler Organisationen der Hospiz- und Palliativarbeit und als selbstverständlicher Partner im Gesundheitswesen und in der Politik steht er für über 1.280 Hospiz- und Palliativdienste und -einrichtungen, in denen sich mehr als 120.000 Menschen ehrenamtlich, bürgerschaftlich und hauptamtlich engagieren.
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