Suizidprävention muss gesetzlich verankert werden / Vorschlag vorgelegt
Seitdem der im Jahr 2015 mit großer Mehrheit im Deutschen Bundestag beschlossene § 217 StGB vor zwei Jahren durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben wurde, konzentriert sich die öffentliche und politische Diskussion auf die gesetzliche Regulierung der Suizidbeihilfe. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) und der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) fordern stattdessen eine gesetzliche Verankerung der Suizidprävention und legen entsprechende Vorschläge vor.
„Jede Stunde ein Suizid in Deutschland, über 9000 im Jahr. Täglich erleben 500 Menschen den Verlust und die Trauer nach dem Suizid eines nahestehenden Menschen: Eltern, Kinder, Geschwister, Freundinnen und Freunde, Mitschülerinnen und Mitschüler, Kolleginnen und Kollegen, Nachbarn“, so Dr. Ute Lewitzka, Vorsitzende der DGS sowie Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.
„Bevor wir überhaupt eine gesetzlich geregelte Suizidbeihilfe diskutieren oder gar zu deren Umsetzung bundesweite Beratungsstellen in Betracht ziehen, muss dringend die Suizidprävention gestärkt werden“, fordert Professor Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV.
In ihrem gemeinsamen, jetzt vorgelegten Vorschlag zur Regelung der Suizidprävention fordern DHPV und DGS ein Gesetz, das bundesweit die Grundlagen und Rahmenbedingungen für Angebote der Suizidprävention schafft. „Die Debatte um ein entsprechendes Gesetz muss zeitnah im Bundestag geführt und das Suizidpräventionsgesetz noch vor einer gesetzlichen Regelung zur Beihilfe zum Suizid verabschiedet werden“, so Benno Bolze, Geschäftsführer des DHPV.
Im Einzelnen fordern DGS und DHPV:
- Aufklärung über Suizid und seine weitreichenden Folgen
- bundesweite, auch niederschwellige und aufsuchende Beratungsangebote sowie schnelle interventionelle Hilfe
- Suizidprävention als wichtigen Aspekt der Gesundheitsfürsorge
- Suizidalität und Suizidprävention als Pflichtthemen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung für Angehörige der medizinischen, pflegerischen und sozialen Berufsgruppen zu verankern
- Begrenzung von Gelegenheiten zum Suizid durch z.B. bauliche Maßnahmen
Diplomgerontologe und Vorstandsmitglied der DGS Dr. Uwe Sperling weist noch einmal darauf hin, dass Suizid(versuche) meist in großer seelischer Not erfolgen, so nicht mehr weiterleben zu können. „Sowohl die Unterstützung des Einzelnen in dieser Not als auch die Suizidprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe benötigen ein verlässliches Fundament. Deshalb fordern wir zusammen mit dem DHPV den Gesetzgeber auf, Suizidprävention in Deutschland jetzt endlich gesetzlich zu verankern.“
Weitere Informationen
9.206 Menschen starben in Deutschland im Jahr 2020 durch Suizid, das waren über 25 Personen pro Tag. Männer nahmen sich deutlich häufiger das Leben als Frauen, rund 75 Prozent der Selbsttötungen wurden von Männern begangen. Das durchschnittliche Alter von Männern lag zum Zeitpunkt des Suizides bei 58,5 Jahren. Frauen waren im Durchschnitt 59,3 Jahre alt. Weit über 100.000 Menschen unternahmen im Jahr 2020 einen Suizidversuch. Etwa 60.000 Menschen verloren im Jahr 2020 einen ihnen nahestehenden Menschen durch Suizid. Nicht selten benötigen auch sie Unterstützung (nach Angabe der WHO sind von einem Suizid im Durchschnitt mindestens sechs nahestehende Menschen betroffen).
Das bedeutet
- Alle 57 Minuten nimmt sich ein Mensch selbst das Leben.
- Alle 5 Minuten findet ein Suizidversuch statt.
- In den letzten 10 Jahren starben über 97.000 Menschen durch Suizid.
- In den letzten 10 Jahren gab es in Deutschland weit über 1 Million Suizidversuche.
- In den letzten 10 Jahren sind in Deutschland zwischen 500.000 und 1 Million. Menschen von dem Suizid eines ihm nahestehenden Menschen betroffen.
- Alle 9 Minuten verliert in Deutschland jemand einen nahestehenden Menschen durch Suizid.
Informationen des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NASPRO)
Zahlen des Statistischen Bundesamtes (2020)
Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. ist seit 1992 die bundesweite Interessenvertretung der Hospizbewegung sowie zahlreicher Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Deutschland. Als Dachverband der Landesverbände in den 16 Bundesländern sowie weiterer überregionaler Organisationen der Hospiz- und Palliativarbeit und als selbstverständlicher Partner im Gesundheitswesen und in der Politik steht er für über 1.280 Hospiz- und Palliativdienste und -einrichtungen, in denen sich mehr als 120.000 Menschen ehrenamtlich, bürgerschaftlich und hauptamtlich engagieren.
Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention – Hilfe in Lebenskrisen (DGS) versteht sich als Fachgesellschaft mit spezifischer Ausrichtung im Bereich der Suizidologie und Suizidprävention, unter deren Dach sich Institutionen und Einzelpersonen aus den verschiedensten Disziplinen zusammengeschlossen haben, welche die Ziele der DGS zu ihrer eigenen Aufgabe machen wollen. Die DGS fördert die Gründung neuer suizidpräventiver Einrichtungen und kooperiert mit anderen nationalen und internationalen Einrichtungen und Vereinigungen. Sie ist Mitglied der International Association for Suicide Prevention (IASP).
Kontakt
Angela Hörschelmann
Deutscher Hospiz- und PalliativVerband
Tel.: 030 82 00 758 17
Mail: a.hoerschelmann@dhpv.de
www.dhpv.de
Dr. Ute Lewitzka
Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention
Tel.: 0351/4583671
Mail: dgs.gf@suizidprophylaxe.de
www.suizidprophylaxe.de