Studie beleuchtet Bedürfnisse von Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen

Anlässlich des Tages der Kinderhospizarbeit, der am 10. Februar begangen wird, weisen Vertreter aus Forschung und Praxis darauf hin, dass Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern an vielen gesellschaftlichen Bereichen nicht oder kaum teilhaben können. Zudem stehen ihnen nur unzureichend passgenaue finanzielle, pflegerische und beratende Unterstützungsleistungen zur Verfügung.

Die in Deutschland lebenden Familien mit lebensverkürzend oder lebensbedrohlich erkrankten Kindern und Jugendlichen können an vielen gesellschaftlichen Bereichen nicht oder kaum teilhaben. Das ist das Ergebnis der Studie „Bedürfnisse von Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen“, kurz FamPalliNeeds. Die vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderte Studie untersuchte über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren die Bedarfe und Bedürfnisse von Familien, in denen Kinder und Jugendliche mit diagnostizierten lebensverkürzenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen leben. In der Studie wurden zu mehr als 90 Prozent Familien erfasst, in denen Kinder mit lebensverkürzenden Erkrankungen und/oder komplexen Behinderungen leben, die eine reduzierte Lebenserwartung zu Folge haben.

Prof. Sven Jennessen, Professor für Pädagogik bei Beeinträchtigungen der körperlich-motorischen Entwicklung an der Humboldt-Universität zu Berlin, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands (DHPV) und Ko-Autor der Studie: „Die Diagnose einer solchen Erkrankung stellt eine existenzielle Bedrohung dar und beeinflusst alle Lebensbereiche der betroffenen Familien. Die Studie zeigt, dass Familien in ihrer sozialen Teilhabe stark eingeschränkt sind.“ Die Daten machen deutlich, dass zwei Drittel der Eltern kaum Möglichkeiten sehen, Freizeit und Urlaub gemeinsam zu gestalten. Auch der Bildungsort der Kinder hängt stark vom Pflegegrad ab; so besuchen beispielsweise nur 12,3 Prozent der Kinder mit Pflegegrad 5 eine Regelschule.

Prof. Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV ergänzt: „Ein zentrales Problem ist der Fachkräftemangel in der pflegerischen Versorgung. Das gilt für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit lebensverkürzenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen leider genauso wie im Erwachsenenbereich. Hier ist die Politik dringend gefordert.“
Eltern müssen oft die Pflege im Krankenhaus übernehmen, was 66,9 Prozent der Befragten als dringend verbesserungsbedürftig ansehen. 94,2 Prozent der Kinder leben im Haushalt der Eltern, auch bei über 27-Jährigen. Geeignete Wohnformen und Pflegepersonal fehlen, was die Selbstbestimmung und Teilhabe der jungen Erwachsenen erschwert und die Eltern zusätzlich belastet.

Selbsthilfeangebote sind für viele Familien wichtig, auch Jahre nach dem Tod eines Kindes. Aber 71,4 Prozent der Eltern fühlen sich nicht ausreichend beraten, was die Komplexität der gesetzlichen Ansprüche und den hohen organisatorischen Aufwand verdeutlicht. 60,4 Prozent der Familien nutzen ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste, ein Drittel kennt dieses Angebot gar nicht.

Das bestätigt auch Kerstin Wülfing, Leiterin des Bergischen Kinder- und Jugendhospiz Burgholz und Mitglied im Vorstand des DHPV: „Für Betroffene sind bestehende Angebote oft undurchsichtig und es fehlen Informationen von den jeweiligen Trägern. Zugesicherte Leistungen können nicht erbracht werden. Das führt bei den betroffenen jungen Menschen und ihren Familien zu Ängsten, wie sie ihr Leben in Zukunft gestalten können und ob Teilhabe überhaupt möglich sein wird. Eine nicht ganz unbegründete Angst, die dazu führt, dass die Belastung der Familien stetig zunimmt.“

Auch finanzielle Belastungen durch Pflege und reduzierte Berufstätigkeit verschärfen die Situation. Bestehende Leistungen wie die Familienpflegezeit sind für diese Familien unzureichend. Die FamPalliNeeds-Studie liefert umfassende Daten und konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgung und Unterstützung der betroffenen Familien. Dazu gehören regionale Versorgungsmodelle, Abbau bürokratischer Hürden, Förderung von Beratungs- und Casemanagement sowie die Umsetzung von Inklusion in Bildung und Arbeit.

Weitere Informationen
Weitere Informationen und der ausführliche Forschungsbericht zur FamPalliNeeds-Studie sind unter https://doi.org/10.18452/26246 verfügbar.

Der Tag der Kinderhospizarbeit findet alljährlich am 10. Februar statt. Initiator des Aktionstags ist der Deutsche Kinderhospizverein (DKHV), er wird seit 2006 begangen.

Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. ist seit 1992 die bundesweite Interessenvertretung der Hospizbewegung sowie zahlreicher Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Deutschland. Als Dachverband der Landesverbände in den 16 Bundesländern sowie weiterer überregionaler Organisationen der Hospiz- und Palliativarbeit und als selbstverständlicher Partner im Gesundheitswesen und in der Politik steht er für über 1.280 Hospiz- und Palliativdienste und -einrichtungen, in denen sich mehr als 120.000 Menschen ehrenamtlich, bürgerschaftlich und hauptamtlich engagieren.

Kontakt
Angela Hörschelmann
Deutscher Hospiz- und PalliativVerband
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
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Telefon: 030 82 00 758 17
Mail: a.hoerschelmann@dhpv.de
Internet: www.dhpv.de

Prof. Dr. Sven Jennessen
Humboldt Universität Berlin
Institut für Rehabilitationswissenschaften
Pädagogik bei Beeinträchtigungen der körperlich-motorischen Entwicklung
Georgenstr. 36
10117 Berlin
Mail: sven.jennessen@hu-berlin.de

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